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Bundesverfassungsgericht

Hofabgabeklausel gekippt

Eine Rente der Landwirtschaftlichen Alterskasse erhält ein Landwirt oder sein Ehegatte bisher nur, wenn er seinen landwirtschaftlichen Betrieb abgibt. In einem erst vergangene Woche veröffentlichten Beschluss vom 23.5.2018 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass diese gesetzliche Verpflichtung zur Hofabgabe als Rentenvoraussetzung in der gegenwärtigen Ausgestaltung verfassungswidrig ist.
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RitaE/Pixabay.com
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Seit Einführung der Alterssicherung der Landwirte im Jahr 1957 war die Gewährung einer Rente der Landwirtschaftlichen Alterskasse mit der Verpflichtung verbunden, den Hof abzugeben. Ziel war es unter anderem die Übergabe an die jüngere Generation zu fördern und einer Überalterung der Betriebe entgegenzuwirken. Dass dieses auch erreicht wurde, belegt ein EU-Strukturvergleich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2013: Danach waren im Vergleich zur EU mit 31 Prozent in Deutschland nur 6,5 Prozent der Betriebsleiter älter als 65 Jahre.

Um Rente betrogen

Trotz dieser positiven Wirkung ist die Abgabeverpflichtung in den vergangenen Jahren zunehmend in Kritik geraten. Gerade Landwirte ohne Hofnachfolger empfinden die Regelung als ungerecht und fühlen sich um ihre Rente „betrogen“, wenn sie diese wegen fehlender Abgabe nicht gewährt bekommen. So auch ein 1938 geborener Landwirt, dessen Rentenantrag 2010 von der Alterskasse wegen nicht erfolgter Hofabgabe abgelehnt worden war und eine 1944 geborene Ehefrau eines Landwirts, deren Rentenantrag 2011 abgelehnt worden war, weil der Landwirt die Regelaltersrente bereits erreicht und den Betrieb noch nicht abgegeben hatte. Nachdem die beiden vor den Gerichten in allen Instanzen gescheitert waren, erhoben sie jeweils Verfassungsbeschwerde beim obersten deutschen Gericht. Dieses hatte zuletzt 1981 entschieden, dass die Verpflichtung zur Hofabgabe mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Verfassungsbeschwerde erfolgreich

Mit seinem jetzt veröffentlichten Beschluss über die beiden Verfassungsbeschwerden (Aktenzeichen: 1 BvR 2392/14 und 1 BvR 97/14) sorgte das Bundesverfassungsgericht für große Überraschung: Anders als in seinen früheren Entscheidungen bewertet es die Hofabgabe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs als verfassungswidrig.

Gesetzgeber verfolgt mit Hofabgabe legitime agrarstrukturelle Ziele

Das Gericht sieht es als legitim, die Übergabe der Höfe an jüngere Landwirte mit einer Pflicht zur Abgabe zu beschleunigen. Auch die Offenheit des Bodenmarkts und die Verbesserung von Betriebsstrukturen seien Ziele, die der Gesetzgeber verfolgen dürfe. Die Hofabgabeverpflichtung sei hierfür auch geeignet und erforderlich, weil ein milderes Mittel nicht zur Verfügung stehe.

Allerdings führe die Pflicht zur Hofabgabe in einigen Fällen zu unzumutbaren Ergebnissen, weil eine Regelung für Härtefälle fehle. Zu einem solchen Härtefall könne es kommen, wenn es keinen Hofnachfolger gebe und die Abgabeverpflichtung nur in einer Form erfolgen könne, die nicht mit einer Einkommenserzielung oder mit einer zu geringen Einkommenserzielung verbunden sei und dann Geld für die Alterssicherung fehle. In diesen Fällen greife die Pflicht zur Hofabgabe faktisch und in unzumutbarer Weise in die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG ein.

Unzumutbar werde die Regelung auch, weil sie seit einer Rechtsänderung zum 1.1.2016, die die Abgabe unter Ehegatten erleichtert, nur noch eine Minderheit von 36 Prozent der Landwirte betreffe.

Außerdem dürfe die Gewährung einer Rente an den einen Ehepartner nicht wie in der Gesetzesfassung zur Hofabgabe bis 31.12.2015 von der Entscheidung des anderen Ehepartners über die Abgabe des Hofs abhängig gemacht werden. Dies verstoße gegen Art. 6 GG (Schutz der Ehe und Familie) und Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz).

Das Gericht hat deshalb § 11 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Land-wirte, der die Verpflichtung zur Hofabgabe bestimmt, für verfassungswidrig erklärt und den beiden Verfassungsbeschwerden stattgegeben. Die Verfahren wurden unter Aufhebung der Gerichtsentscheidungen an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen, das nun unter Beachtung des BVerfG-Beschlusses zu entscheiden hat.

Gesetzgeber muss handeln

Das Gericht hat die Regelung zur Hofabgabe für unanwendbar, nicht aber für nichtig erklärt. Damit wirkt die Entscheidung nicht in die Vergangenheit. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten habe, die Verfassungswidrig-keit zu beheben.

Damit ist der Gesetzgeber gefordert, schnellstmöglich eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen. Ob er die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigte Möglichkeit, Härtefälle im Gesetz zu definieren, nutzt oder die Hofabgabeverpflichtung gänzlich abschafft, ist nicht vor-hersehbar (siehe zu den politischen Ansichten den Kasten). Offen ist auch, ob der Gesetz-geber bereits abgeschlossene Verfahren in die Neuregelung einbezieht und ob die Ausfüh-rungen des Bundesverfassungsgerichts zur Hofabgabeklausel auch bei Erwerbsminderungsrenten oder für Hinterbliebenenrenten gelten.

In Anbetracht dieser Unsicherheiten empfiehlt sich bis zu einer gesetzlichen Regelung folgendes Vorgehen:

  • Landwirte, die die Voraussetzungen der Abgabe nach den bisherigen Regelungen erfüllen, sollten diese in ihren Rentenanträgen wie bisher nachweisen.
     
  • Auch Betroffene, die eine Rente ohne Hofabgabe beantragen wollen, sollten einen diesbezüglichen Rentenantrag bereits jetzt vorsorglich stellen. Das Gleiche gilt für Personen, deren Rentenantrag in der Vergangenheit wegen nicht erfolgter Hofabgabe abgelehnt wurde. Denn möglicherweise wird ihnen (nach entsprechender Gesetzesänderung) rückwirkend eine Rente bewilligt. Bezüglich der abgelehnten Rentenbescheide könnte vorsorglich auch ein Überprüfungsantrag gestellt werden. Zwar werden bestandskräftige oder rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsbehörden oder von Gerichten durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht per se unwirksam. Möglicherweise wird der Gesetzgeber aber auch diesem Personenkreis rückwirkend die Möglichkeit eines Rentenbezuges ohne Hofabgabe oder unter Beachtung von Härtefallklauseln einräumen.
     
  • Personen, die den Betrieb bereits abgegeben haben, eine Rente beziehen und jetzt überlegen, zusätzliche Flächen (oberhalb der Mindestgröße) zu bewirtschaften, müs-sen abwägen, ob sie das Risiko eingehen, möglicherweise ihren Rentenanspruch zu verlieren, weil sie denkbare neue Abgabevoraussetzungen nicht erfüllen oder ob sie zunächst die Entscheidung des Gesetzgebers abwarten.


 

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