Obstanlage der Zukunft
In enger Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Naturschutz, Forschung und Bildung entstehen landesweit sechs vorbildliche Obstbau-Modellanlagen. Arten-Monitoring und Schulungskonzept sind wichtige Elemente bei der Förderung von Biodiversität.
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Grit Puchan, Ministerialdirektorin im Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, hat sich vor Ort über das vom Land geförderte Projekt „Obstbau-Modellanlagen zur Förderung der Biologischen Vielfalt“ informiert. Im Mittelpunkt stand dabei der fachliche Austausch über die geplante „Obstanlage der Zukunft“ der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO) in Heuchlingen.
Mit Niederstamm-Obstanlagen Biodiversität fördern
Zentrales Thema beim Vor-Ort-Besuch in der Heuchlinger Musteranlage war die Weiterentwicklung des Obstbaus in Baden-Württemberg unter besonderer Berücksichtigung des Natur- und Insektenschutzes. „Ich bin mir mit den Projektbeteiligten aus der Obstbaupraxis sowie aus Naturschutz, Forschung und landwirtschaftlicher Bildung einig, dass Niederstamm-Obstanlagen vielfältige Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bieten können. Die landesweit sechs Obstbau-Modellanlagen, die seit 2019 mit Unterstützung des Ministeriums für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden-Württemberg am Bodensee, am Neckar und am Oberrhein entstanden sind, liefern für den Artenschutz einen wichtigen Beitrag. In diesen Anlagen werden gezielte Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität umgesetzt, das ist vorbildlich und für die Landesregierung eine wichtige Basis für ihr künftiges Handeln. Wir wollen in Baden-Württemberg auch weiterhin einen Obstbau, der regionale Produkte erzeugt und gleichzeitig Lebensraum für zahlreiche Arten bietet“, betonte Ministerialdirektorin Grit Puchan.
Vielfältige Maßnahmen fördern Flora und Fauna
Die Maßnahmen für mehr Biodiversität in den Obstanlagen sind vielfältig. Dies reicht von Nisthilfen für Vögel und Wildbienen, Quartiere für Fledermäuse sowie Unterschlupf für Eidechsen und andere Arten bis hin zur Anlage von Blühstreifen und die Einsaat von Blühpflanzen in den Fahrgassen. Auf diese Weise wird das Nahrungsangebot für Insekten erhöht und durch Hecken und Ankerpflanzen zusätzlicher Lebensraum für Wildtiere geschaffen. Von einer Verringerung des Herbizideinsatzes profitieren Regenwürmer, vom streifenweisen Mulchen Feldheuschrecken. Das Projekt wird von der Flächenagentur Baden-Württemberg und von der Bodensee-Stiftung koordiniert und gemeinsam mit der LVWO in Weinsberg, dem KOB in Bavendorf und dem LTZ in Augustenberg sowie engagierten Obstbaubetrieben umgesetzt und soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.
Obstbau-Modellanlagen liefern wichtige Daten
Die Modellanlagen werden jährlich mehrfach kontrolliert, um die Auswirkungen der umgesetzten Naturschutzmaßnahmen auf die Biodiversität zu untersuchen. „Unser regelmäßiges Artenmonitoring umfasst die Erhebung von Wildbienen, Vögeln und Heuschrecken sowie der Pflanzen. Auf Basis der Monitoring-Ergebnisse können die Naturschutzmaßnahmen optimiert und damit das Potenzial der Obstanlagen für den Naturschutz besser genutzt werden“, erläutert Anne Föllner, Landschafts- und Umweltplanerin bei der Flächenagentur Baden-Württemberg.
Motivation zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen
Die Bodensee-Stiftung hat im Rahmen des Projekts ein Schulungs- und Kommunikationskonzept entwickelt. Dadurch können die Modellanlagen künftig auch in der obstbaulichen Ausbildung und Beratung zur praktischen Anschauung und zum Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer genutzt werden. „Unser Konzept beinhaltet detaillierte und praxisorientierte Beschreibungen von Naturschutzmaßnahmen und ein Lehrmodul samt Materialien für den Einsatz in den landwirtschaftlichen Fachschulen. In der nächsten Projektphase werden wir zudem Exkursionsangebote entwickeln und Lehrvideos erstellen, um möglichst viele Obstbaubetriebe zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen zu motivieren“, so Agrar-Ingenieurin Sabine Sommer von der Bodensee-Stiftung.
Pläne für die „Obstanlage der Zukunft“
Im Fortgang des Projektes zur Förderung der biologischen Vielfalt soll auf dem Obstversuchsgut Heuchlingen ein weiteres Versuchsquartier mit der Größe von einem Hektar mit einer „Obstanlage der Zukunft“ bepflanzt werden, in welcher die neuesten Erkenntnisse zu einer möglichst nachhaltigen Erzeugung von Äpfeln zusammengeführt werden. Zielstellungen sind:
- Langfristiger Verzicht auf Baumstreifenbehandlungen (chemisch oder mechanisch), stattdessen Mulchrasen, ermöglicht durch Verwendung stärkerer Unterlagen, höherer Baumformen und weiterer Pflanzabstände
- Möglichst geringer Einsatz von Fungiziden durch den Anbau von pilzwiderstandsfähigen Sorten (Baustein A), Verwendung unterschiedlicher Resistenzgene gegenüber Apfelschorf (Baustein B) und Kulturführung im verstreuten Blockanbau (Baustein C)
- Geringerer Einsatz von Insektiziden durch Förderung von Nützlingen/Gegenspielern aufgrund der Erhöhung der Biodiversität (Fahrgassen-Blühmischungen, Ankerpflanzen, Insektenhotels, Stein-/Holzhaufen, Leuchtturmpflanzen)
Neue Sorten bilden wichtigen Baustein
Ermöglicht werden soll die „Obstanlage der Zukunft“ durch die Nutzung der Vielfalt an neuen pilzwiderstandsfähigen Apfelsorten, die teilweise an der LVWO selbst gezüchtet wurden und eine Mehrfachresistenz aufweisen, sowie durch die Verwendung von neuen robusten Apfelunterlagen aus dem Geneva-Züchtungsprogramm in den USA. Diese Unterlagen sind tolerant gegenüber Trockenheit, Kragenfäule, Feuerbrand und Wurzelausläufer. Sie bieten dadurch auch Schutz vor Blutlausbefall. Zudem sind sie ziemlich robust gegenüber Winterfrösten. Aufgrund erweiterter Pflanzabstände, als sie im aktuellen Erwerbsobstanbau üblich sind, werden breitere Fahrgassenblühstreifen möglich. Zudem bieten besser durchlüftete Bestände eine raschere Abtrocknung der Blätter und damit einen geringeren Infektionsdruck durch Schadpilze. Auf diese Weise lassen sich in der „Obstanlage der Zukunft“ moderne pflanzenzüchterische Fortschritte mit Elementen des integrierten und des ökologischen Obstbaus, sowie der Förderung der Biodiversität, verbinden.
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