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Jubiläum

20 Jahre Rettet die Champagner-Bratbirne

Der Verein zur Erhaltung und Förderung alter Obstsorten feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Wie kam es zu seiner Gründung? Die eigentliche Ursache liegt weit zurück und liegt in der Geschichte einer Birne begründet.
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Hartmann
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In dem Buch: „Ökonomische Anleitung zum Obstmosten“ aus dem Jahr 1760 heißt es: „ Man bauet auf den Fildern, eine Gegend unweit Stuttgart, eine Gattung Birnen, die wegen ihrer Reue fast nicht zu essen; sie sind rundlich und grün und als eine Art wilder Holzbirnen anzusehen. Der Most davon wird gut und hat einen ganz besonders angenehmen Geschmack. wenn man ihn mostet und in Bouteillen füllt, moussiert er wie der Champagner Wein und hat vieles von seinem Geschmack an sich.“ Diese kleine, grünliche Birne von dem Pfarrer und Pomologe Christ 1797 schrieb „ eine Ausnahme vom Birnwein, der meist geringe ist, mach jene raue und schlechte Birn, die kein Schwein fressen mag, welche ich mit dem Namen ‚Champagnerweinbirn‘ belegt habe. Diese schlechte Birn macht einen zur Verwunderung vortrefflichen Wein.“

Der Anbau dieser Sorte wurde in den kommenden Jahrzehnten forciert und bald wurde sie zur württembergischen Nationalsorte. Im Jahr 1898 wurde für einen Zentner Birnen dieser Sorte 9,50 Mark bezahlt, der Stundenlohn für einen Facharbeiter betrug zur gleichen Zeit 25-35 Pfennige.

Der damals 25-jährige Hotelbetriebswirt Jörg Geiger aus Schlat erinnert sich, wie sein Großvater immer einen ganz besonderen Most aus dieser Birne machte und fand dann in der Literatur den Hinweis auf die Schaumweinbereitung Er begann im Jahr 1995 aus den Birnen im traditionelle Flaschengärverfahren einen moussierenden Schaumwein zu machen, den er dann zwei Jahre später erstmals vermarktete mit der Flaschenaufschrift : Birnenschaum hergestellt aus der Champagner Bratbirne.

Der Streit um den "Champagner"

Dies war dem Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne ein Dorn im Auge, denn sie sahen darin Produktpiraterie, denn sie hatten sich den Namen "Champagner" im Versailler Vertrag 1919 schützen lassen und 40 Jahre später auch in einem franko-alemannischen Contract über den Schutz von Herkunftsangaben. Mehrmals hatte Geiger angeboten sein Etikett zu ändern, aber jede Bezeichnung, die den Namen Champagner enthielt, wurde von dem Comité nicht akzeptiert und ist deshalb vor Gericht gezogen. In erster Instanz hat das Landgericht Stuttgart die Klage des Namenswächters bereits 2001 mit der Begründung abgelehnt, das Etikett aus der ‚Champagner Bratbirne‘ sage eigentlich alles aus. Dieses Urteil wurde von der Champagnerindustrie nicht akzeptiert und sie wandte sich an das Oberlandesgericht, das sich dann gegen Geiger entschied, mit der Begründung: „die Bezeichnung lässt sich nicht durch die Existenz der althergebrachten Sortenbezeichnung rechtfertigen.

Solidarität

Diese Entscheidung löste allgemeine Empörung, nicht nur in seinem Bekannten- und Freundeskreis, sondern auch in Fachkreisen aus, und man beschloss den jungen Gastwirt in seinem Streit um den Namen mit der Gründung eines Vereins moralisch zu unterstützen. Die Gründungsversammlung fand dann am 14. Mai 2002 im Schlosskeller der Universität Hohenheim statt. Zu den Gründungsmitgliedern zählten auch prominente Vertreter aus Politik und Presse wie z. B. der damalige Landtags-Vizepräsident.

Jörg Geiger wurde empfohlen in die nächste Instanz zu gehen, weil es nicht sein kann, dass eine schon über 200 Jahre alte Sorte nicht auf dem Etikett genannt werden darf. So kam es, dass sich der Bundesgerichtshof erstmals in seiner Geschichte, mit einer Mostbirne befassen musste. Dies führte zu einer bundesweiten Aufmerksamkeit und auch Unverständnis im deutschen Blätterwald. Zur Urteilsverkündung mietete der Verein einen Bus und fuhr nach Karlsruhe. Unvergesslich für die anwesenden Mitglieder war der Augenblick als die Richter zur Urteilsverkündung den Saal betraten. Der erste Richter hatte ein Buch in der Hand (Den Farbatlas alte Obsstsorten des Autors dieser Zeilen) und sagte: Aufgrund seiner Geschichte ,so wie sie in diesem Buch steht, das ein alter Professor geschrieben hat, kamen wir zu der Auffassung, dass sich der Name nicht verbieten lässt.

Was heißt "werbewirksam"?

Wir alle jubelten in der Auffassung, dass wir den Prozess gewonnen haben. Freudig machten wir uns auf die Heimreise und dann erfuhren wir noch im Bus in der Urteilsbegründung, dass es doch etwas anders aussieht. Der Name darf erwähnt werden, aber nicht werbewirksam. Es ist nun die Frage, was ist werbewirksam? Um die Auseinandersetzungen nicht weiter auszudehnen, einigte sich Jörg Geiger dann mit dem Champagnerkomitee, dass er den Namen nur auf der Rückseite erwähnt. (In der Zwischenzeit steht der Name Bratbirne auch auf der Vorderseite, nur der Name Champagner wird nicht benutzt und entweder dafür das Bild einer Bratbirne (siehe Foto) oder statt Champagner Bratbirne nur C. Bratbirne.)

In der Presse gab es nun Schlagzeilen wie: Jörg Geiger verliert Champagnerstreit. Das entsprach aber nicht den Tatsachen, letztendlich führte das Ganze zu einer ungeahnten Werbekampagne. Mit einem Schlag war die Manufaktur Geiger deutschlandweit bekannt.

Der Verein bemüht sich in vielfältiger Weise um die Förderung und Erhaltung alter Obstsorten, u. a. durch folgende Elemente:

  1. Vergabe der Eduard Lucas Medaille an Personen oder Einrichtungen die sich um den Erhalt und die Forderung alter Sorten überdurchschnittlich bemüht haben. Ab dem Jahr 2005 wird die Medaille jährlich vom Verein ausgeschrieben und vergeben, seit 2009 gemeinsam mit dem Ministerium für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.
  2. Jährlich wird eine Streuobstkalender herausgegeben mit Fotos welche die Schönheiten aber auch Probleme der Streuobstbaus zeigen.
  3. Der Verein veranstaltet jährlich ein oder zweitägige Fachreise in bestimmten Regionen oder zu bestimmten Einrichtungen in Deutschland aber auch ins Ausland.
  4. jährlich stellt ein Mitglied den Streuobstbau seiner Heimatregion vor.
  5. Der Verein führt Obstsortenausstellungen mit Sortenbestimmung durch.
  6. der Verein hat verschiedene Arbeitsgruppen:
  • Pomologie mit Besichtigung von Streuobstbeständen vor der Ernte und zum Erkennung der Sorten im Winter an der Baumkrone
  • Baumschnitt und Pflege
  • Obstverwertung, besonders in der Brennerei
  • Erforschung der Verwandtschaft innerhalb der Gruppe des Luiken-Apfels durch DNA- Analysen


Der Verein feierte sein Jubiläum am 22. Juni abends in der Manufaktur Geiger in Schlat mit kulinarischen Köstlichkeiten, Kabarett und Vorstellung seiner Geschichte und den Aktivitäten des Vereins. Besonders erfreulich war es, dass bei der gelungenen Veranstaltung der ganze Vereinsvorstand, der damals gewählt wurde, anwesend war. Auch nahmen von den 20 Gründungsmitglieder 13 an der Veranstaltung teil und auch die Mehrzahl der Eduard Lucas-Medaillen-Preisträger waren als Gäste anwesend.

Mehr über den Verein erfährt man unter:
www.champagner-bratbirne.de
 

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