Enzianbrände auf höchstem Niveau
Enzianschnaps ist eine Delikatesse aus dem Alpenraum. Nun hat die Landwirtschaftskammer Tirol eine Kooperation mit der Universität Hohenheim gestartet, um die Veredelung der Enzianwurzeln zu hochwertigem Enzianbrand zu optimieren.
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Für eine gezielte und regelmäßige Nutzung wird der Gelbe Enzian im Zuge eines Pilotprojektes seit 2017 in Galtür auf ca. 1.600 Meter angebaut. Nun erntet Hermann Lorenz die ersten Wurzeln der begehrten Heilpflanze, um daraus den beliebten Enzianbrand zu destillieren.
Erste Ernte nach erfolgreichem Anbau
„Vor vier Jahren startete der Anbauversuch auf Initiative und mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer (LK) Tirol mit vielen offenen Fragen. Dank der Hilfe von Agrarbiologin Centa Kirsch und der hervorragenden Qualität ihrer Jungpflanzen gelang der Auftakt des Anbaus perfekt. Das sehr gute Wachstum des Enzians übertraf all unsere Erwartungen. Allerdings war der erforderliche Pflegeaufwand, vor allem das Jäten, für uns eine echte Herausforderung“ blickt Hermann Lorenz, erfahrener Brenner und Pioniergeist, zurück. Nach vier Jahren freut er sich jetzt auf die erste Ernte der Enzianwurzeln. „Wie in der freien Natur ernten wir auch auf dem Versuchsfeld ganz klassisch mit Pickel und Muskelkraft. Auf dem Berg benötigen wir zum Graben für 100 kg Enzianwurzeln rund 16 Stunden. Auf dem Feld gehe ich von 4 bis 5 Stunden aus“, schildert Lorenz und weist auf den hohen Arbeitsaufwand hin.
Die Herstellung birgt einige Herausforderungen
Enzianwurzeln sind etwas Besonderes. „Sie kommen aus der Erde, sind verschmutzt und zum Teil verholzt. Nach dem Graben werden sie daher intensiv gewaschen, mit einem Häcksler zerkleinert und mit Wasser eingemaischt. Sie können allerdings nicht so sauber gewaschen werden, dass keine Erde in die Maische gelangt. Bedenkt man nun, dass in einem Gramm Erde über hundert Millionen Mikroorganismen leben, die sich von der Gentianose, dem Zucker in der Enzianwurzel, ernähren, wird sofort klar, dass die traditionelle Vergärung manchmal perfekt funktioniert, aber oft auch danebengeht“, berichtet LK-Fachbereichsleiter Wendelin Juen über die Schwierigkeiten.
„Die enorm großen Schwankungen bei der Ausbeute und Qualität der Enzianbrände müssen wir in den Griff bekommen, damit Geschmack und Ausbeute nicht von Gärfass zu Gärfass, von Jahr zu Jahr bzw. von Brenner zu Brenner so extrem schwanken,“ so Juen. Er führt weiter aus: „Es gilt zum Beispiel folgende Fragen zu klären: Wie fein sollen die Enzianwurzeln zerkleinert werden, welche Temperatur ist ideal für die Vergärung, wie lange soll die Gärung dauern, wie wirken sich Zerkleinerung, Gärtemperatur, Gärdauer auf das Aroma und die Ausbeute aus?“ Dazu hat die LK Tirol nun eine Kooperation mit der Universität Hohenheim abgeschlossen und Juen freut sich schon auf die gute und professionelle Zusammenarbeit sowie auf wichtige, neue Erkenntnisse.
Nachdem in Tirol bereits 11 Brenner auf einem Hektar Gelben Enzian erfolgreich kultivieren ist klar, dass ein standardisiertes Verfahren für das Einmaischen und die Vergärung von Enzianwurzeln erforderlich ist, um jedes Jahr eine sehr gute Qualität mit guter Ausbeute zu erzielen. Nur so generieren die Brenner aus dem Anbau die entsprechend hohe Wertschöpfung und der „Reine Enzian“ behält sein gutes Image.
Kooperation mit Universität Hohenheim
Die Experten der Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim unter der Leitung von Dr. Daniel Einfalt starten nun die erste Versuchsreihe. „Aus dem Leitspruch ‚Nur ein Destillat, das gut schmeckt, wird gerne wieder gekauft‘ zieht die Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim ihre Motivation, wenn es um die Erforschung optimaler Obstbrände geht“, führt Dr. Daniel Einfalt aus. Der Erfolg ihres Instituts bei der Erzeugung hochwertiger Destillate zeigt sich unter anderem durch sensorische Auszeichnungen, wie dem besten Zwetschgenwasser Deutschlands 2021 und etlichen weiteren Prämierungen ihrer Produkte. Auch das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum in Baden-Württemberg schätzt die Qualität der Forschergruppe und fördert ein aktuelles Forschungsvorhaben, um den verschwindenden Streuobstbeständen eine Zukunftsperspektive in Form von vollmundigen Birnen- und Apfeldestillaten zu verleihen.
„Nun freut sich die Forschungsabteilung darüber, dass die Landwirtschaftskammer Tirol eine Zusammenarbeit zur Erforschung optimaler Enzianbrände auf den Weg gebracht hat. Ziel des Forschungsprojekts soll sein, ideale Abläufe bei der Maischebereitung und Wurzelfermentation zu finden, um Enzianbrände mit bester aromatischer Zusammensetzung und zeitgleich höchster Alkoholausbeute zu erlangen. Daraus sollen Handlungsempfehlungen entwickelt werden, welche dem bislang sehr traditionsverbundenen Handwerk mehr Sicherheit im Herstellungsverfahren bringen wird“, skizziert Einfalt das Ziel der Kooperation.
Wie aus Enzianwurzeln Spirituosen entstehen
Im Laufe der Zeit haben sich viele verschiedene Verfahren entwickelt, Enzianwurzeln zu einer Spirituose zu verarbeiten:
- Die Königsklasse ist der reine Enzianbrand. Dieser wird ausschließlich aus eingemaischten und vergorenen Enzianwurzeln destilliert. Das Endprodukt darf in Galtür als „Enzner“ bezeichnet werden. Die Exklusivität dieses Brandes spiegelt sich auch im Preis von rund 280 € pro Liter wieder. 2013 würdigte die UNESCO das regionale „Wissen um die Standorte, das Ernten und das Verarbeiten“ im Paznaun als immaterielles Kulturerbe.
- Häufig werden in einer Obstmaische (meist aus Äpfeln) zerkleinerte Enzianwurzeln mitvergoren.
- Rein gebrannter Enzianschnaps wird mit einem neutralen Obstler verschnitten.
- Zerkleinerte Wurzeln werden einem Obstraubrand zugefügt und nach 24 Stunden destilliert.
- Manchmal werden in einem Destillat (oft Weinbrand) Enzianwurzeln als Ganzes angesetzt. Solche Schnäpse sind z.B. in Südtirol anzutreffen und an Bitterkeit nicht zu übertreffen.
- Wurzeln werden mit Alkohol angesetzt und die so gewonnene Tinktur anschließend gebrannt.
- Getrocknete, fein gehackte Wurzeln werden in heißem Wasser gequollen, dann mit Schnaps angesetzt und nach einigen Wochen mit dem Raubrand eines Apfelschnapses gebrannt.
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