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Neue Verordnung

Geoschutz in der Kritik

So soll es sein: Der Geoschutz bietet einen Wettbewerbsvorteil, er erhöht die Wertschöpfung, schafft Arbeitsplätze und bewahrt das kulturelles Erbe. Der Verband der Bayerischen Spirituosenindustrie hat aber die Sorge, dass das Gegenteil der Fall ist.

von Verband der Bayerischen Spirituosenindustrie/Redaktion erschienen am 10.10.2025
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Stefan Penninger, Vorsitzender des Verbands der Bayerischen Spirituosenindustrie.
Stefan Penninger, Vorsitzender des Verbands der Bayerischen Spirituosenindustrie. © Friedrich Springob

In einer aktuellen Pressemeldung heißt es:

„Die neue EU-Geoschutz-Verordnung (EU 2024/1143) bringt für viele bayerische Hersteller nicht Entlastung, sondern eine massive zusätzliche Belastung. Statt der vielfach angekündigten Bürokratievereinfachung sehen sich mittelständische und landwirtschaftliche Betriebe mit einer Fülle neuer Pflichten, Kosten und Rechtsrisiken konfrontiert – eine Entwicklung, die für viele Existenzen bedrohlich ist. Die aktuellen Regelungen führen zu einer Schlechterstellung bayerischer Hersteller gegenüber ihren außerbayerischen Wettbewerbern. Wir fordern daher Möglichkeiten für bayerische Erzeuger, weiterhin Produkte mit bayerischer Identität außerhalb der strengen Kategorien des Geoschutz-Systems herstellen zu können - anstelle eines einseitigen Zwangs.

Keine Wahlfreiheit für Hersteller

Besonders gravierend: Schon eine bloße Anspielung auf eine geographisch geschützte Bezeichnung wird künftig als registrier- und strafpflichtige Erzeugung gewertet. Das bedeutet: Ein Kräuterlikör aus Bayern darf künftig nur noch hergestellt werden, wenn er exakt den Spezifikationen der Geoschutz-Verordnung entspricht. Für die Produzenten entfällt damit die bisherige Wahlfreiheit, eigene Rezepturen oder Varianten außerhalb der festgelegten Spezifikation auf den Markt zu bringen.

„Während österreichische Hersteller beispielsweise problemlos Kräuterliköre mit Anspielungen auf Gebirgszüge, Zwiebeltürme oder alpenländische Symbolik herstellen können, ohne sich kostenpflichtig und strafbewehrt registrieren zu müssen, bleibt dies bayerischen Herstellern künftig verwehrt. Im Extremfall müssen wir dann zur Produktion nach Österreich ausweichen und dort Töchterfirmen gründen.“ kritisiert Stefan Penninger, Vorsitzender des Verbands der Bayerischen Spirituosenindustrie.

Blockade von Innovation und neuen Märkten

Diese strikte Bindung verhindert nicht nur Vielfalt und individuelle Handschrift, sondern bremst auch wichtige Innovationen aus. Gerade im Bereich alkoholarmer und alkoholfreier Spirituosenalternativen, der für die Zukunft der Branche von entscheidender Bedeutung ist, könnten Hersteller durch die Geoschutz-Vorgaben massiv eingeschränkt werden. Verschärft wird dies durch die festgelegten Mindestalkoholgehalte vieler geschützter Produkte. Sie laufen den gesellschaftlich gewünschten Entwicklungen zu weniger Alkoholkonsum direkt entgegen und blockieren die Weiterentwicklung hin zu moderneren, leichteren und verantwortungsbewussteren Getränken.

Bürokratie statt Entlastung

Die Umsetzung der Verordnung verlangt von den Herstellern regelmäßige Mengenmeldungen, zusätzliche Produktionsdokumentationen und die Finanzierung laufender Kontrollstellen. Etikettierungsfehler können künftig nicht nur als Ordnungswidrigkeit, sondern sogar strafrechtlich verfolgt werden. Selbst minimale Abweichungen gelten nun als strafbarer Verstoß.

Florian Beierl, Geschäftsführender Gesellschafter der Enzianbrennerei Grassl und zweiter Vorsitzender des Verbands der Bayerischen Spirituosenindustrie.
Florian Beierl, Geschäftsführender Gesellschafter der Enzianbrennerei Grassl und zweiter Vorsitzender des Verbands der Bayerischen Spirituosenindustrie. © Thorsten Jochim

„Die Politik spricht seit Jahren von Bürokratieabbau – und schafft mit dieser Verordnung ein Bürokratiemonster, das mittelständische Hersteller kaum bewältigen können“, warnt Florian Beierl von der Enzianbrennerei Grassl, zweiter Vorsitzender des Verbands der Bayerischen Spirituosenindustrie.

Betroffen sind nicht nur Spirituosen

Die Problematik betrifft nicht nur die Brennereien: Insgesamt stehen 54 bayerische Lebensmittelkategorien unter Geoschutz – von Wurst über Käse bis hin zu Backwaren. Damit droht die Gefahr, dass die Verordnung weit über die Spirituosen hinaus für zahlreiche mittelständische Lebensmittelhersteller in Bayern zu einer Innovations- und Kostenfalle wird.

„Wenn wir künftig keine kreativen neuen Varianten unserer beliebten Spezialitäten entwickeln dürfen, ohne Strafandrohung zu riskieren, dann trifft das nicht nur unsere Branche, sondern die gesamte Vielfalt bayerischer Lebensmittelkultur“, so Penninger weiter.

Fazit

Was als Schutzmaßnahme für regionale Spezialitäten gedacht war, droht sich für bayerische Hersteller ins Gegenteil zu verkehren: statt Wettbewerbsstärkung und Sicherung regionaler Identität stehen massive Bürokratie, hohe Zusatzkosten, fehlende Wahlfreiheit und existenzielle Risiken im Vordergrund. Für die traditionsreiche, mittelständisch geprägte Lebensmittelwirtschaft in Bayern kann dies fatale Folgen haben.“

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