
Wegweisend oder Irrweg?
Die EU-Kommission feiert den Abschluss der Verhandlungen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten als Erfolg. Sie streicht die Vorteile des Freihandelsabkommens für beide Seiten heraus. Für die Landwirtschaft überwiegen die Nachteile – so der Bauernverband. Wie sieht es hinsichtlich des Alkoholsektors aus?
von Redaktion erschienen am 18.12.2024Während Wirtschaft und Industrie jubeln, war die Enttäuschung in der Landwirtschaft vergangene Woche nach der Unterschrift des Handelsabkommens zwischen den Mercosur-Staaten und der Europäischen Union groß. Die Agrarbranche befürchtet, dass die europäischen Märkte nun mit südamerikanischen Importen überschwemmt werden, die in den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) deutlich günstiger produziert werden können.
„Wir Bauern wurden nicht gehört. Dieses Abkommen geht einseitig zu Lasten der europäischen Bauern und schwächt unsere Betriebe massiv im Wettbewerb“, so Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes und des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg. Die Unterzeichnung des Abkommens sei das Gegenteil der von der EU-Kommission zugesagten Stärkung der europäischen Landwirtschaft. Die geplanten Mechanismen zum Schutz europäischer Standards für Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung seien nach wie vor völlig unzureichend. Rukwied appellierte an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat als nun entscheidende Institutionen, das Abkommen in dieser Form nicht anzunehmen.
Es ist derzeit noch offen, ob es eine qualifizierte Mehrheit der EU-MS für das Abkommen geben wird. Frankreich, Polen und weitere Länder haben Sorgen, dass die EU-Landwirtschaft (Rindfleisch, Zucker, Futtermittel wegen Soja) schweren Schaden nehmen könnte.
Was den Alkoholsektor angeht, wurden zollbegünstigte Kontingente vereinbart. Das heißt, der größte Zucker- und der zweitgrößte Bioethanolproduzent der Welt, Brasilien, erhält in der EU einen einfacheren Marktzutritt, was die hiesigen Erzeuger unter Druck setzen dürfte.
Außerdem Abkommen sollen drei deutsche Spirituosen mit einer geografischen Angabe im Mercosur-Raum geschützt werden: Korn/Kornbrand, Steinhäger (mit einer Ausnahme für brasilianische Hersteller in Blumenau) und Schwarzwälder Kirschwasser.
Das GI-Abkommen der EU mit Mercosur schützt nicht alle 36 deutschen Spirituosen mit einer geografischen Angabe. Warum nicht?
Die Erfahrung der letzten Jahre bei Freihandelsabkommen der EU mit Drittländern oder Drittländer-Allianzen wie Mercosur zeigt, dass diese nicht bereits sind, die derzeit 264 EU-Spirituosen mit einer geografischen Angabe allesamt zu schützen, wenn sie selbst nur eine Handvoll haben. Es geht um ein symmetrisches ausgewogenes Schutzabkommen. Das Instrument der geografischen Angabe ist eine EU- bzw. romanische Spezialität. Vor allem Frankreich ist ein militanter Verfechter des Schutzes geografischer Angaben.
Weiterhin zählt die echte Missbrauchsgefahr. Besteht die Gefahr, dass ein argentinischer Hersteller Bärwurz – unter Verwendung dieses deutschen Begriffs – verwenden wird? Eher nicht. Und wie sieht die tatsächliche Handelsbilanz für die konkrete zu schützende Spirituose aus? Wenn man allein nach dieser Statistik entscheiden würde, wäre jetzt keine einzige deutsche Spirituose geschützt, weil die international gehandelten Mengen schlichtweg unbedeutend sind.
MERCOSUR ist die Abkürzung für Mercado Común del Sur. Das bedeutet Gemeinsamer Markt im südlichen Lateinamerika. 1995 haben Argentinien, Brasilien, Bolivien, Paraguay und Uruguay diese regionale Wirtschaftsgemeinschaft in Lateinamerika gegründet. Ihr wichtigstes Ziel ist der Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen.
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